Das richtige Werkzeug

Neulich habe ich in den Podcast eines Bekannten reingehört. Er und ein Freund, die sich über ihre kreative Arbeit austauschen. Die Sprache kam auf das richtige Werkzeug für ihre kreative Arbeit. Vor allem aber das Arbeitsgerät des Fotografen in der Runde. Während für den Fotograf die Spiegelreflexkamera und diverse Objektive unverzichtbar waren, erklärte der Nicht-Fotograf, seiner Meinung nach könnten wunderbare Fotos auch mit einem Handy entstehen.

Mich hat diese Diskussion schon immer ermüdet. Üblicherweise gibt es dabei genau diese zwei Meinungen: Die einen sagen, man müsse das richtige (gemeint ist immer das teuerste/beste) Werkzeug haben, um sein Werk zu erschaffen. Sei es nun die professionelle Kamera, das komplizierte Grafikprogramm oder die teure Ölfarbe. Nur mit dem besten Material schafft man ein großes Werk.

Der kreative Snob

Während meines Studiums arbeitete ich in einem Großhandel für Künstlerbedarf und war dort in der Abteilung für Farben und Stifte beschäftigt. Dort habe ich nicht nur erlebt, wie versnobt manche Künstler*innen sind, wenn es um die Qualität ihrer Farben geht („ich kaufe nur die beste Acrylfarbe, nicht das billige Zeug“), sondern dass teilweise auch eine Farb-Art als besser galt, als eine andere („Aquarell ist was für Schulkinder, wer sich ernst nimmt, malt in Öl“).
Das andere Lager sagt, dass das einzig wichtige im Schaffensprozess die kreative Person selbst bzw. deren Fähigkeiten ist: Ein guter Fotograf kann auch mit einem Handy ein meisterhaftes Bild einfangen und eine begnadete Malerin auch mit der billigsten Farbe ein Meisterwerk auf einer wiederverwerteten Leinwand schaffen.

Wohlfühl-Farben

Während meiner Zeit als Verkäuferin von Farben durfte ich einmal eine aufstrebende Künstlerin beraten, die in Gauche malte und immer nur die günstigsten Farben verwendete (die Sorte, die sonst nur für Kindergärten gekauft wird). Sie konnte sich – bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich sie traf, die teureren Farben einfach nicht leisten. Nun aber hatte sie ihre ersten großformatigen Bilder verkauft und meinte, es ihren Kunden zu schulden, auf teurere Farben umzusteigen. Obwohl sie selbst die günstigen Farben so liebte. Nachdem ich sie beraten hatte, legte sie ihre Geld lieber in noch größere Leinwände an und blieb bei ihren Kindergarten-Farben. Ich habe mich darüber sehr gefreut.

Unter Umständen das richtige Werkzeug

Daran sieht man auch schon, warum für mich diese Grundsatzdiskussion über professionelles Material oder Material egal müßig ist. Die Frage nach dem richtigen Werkzeug, dem idealen Material lässt sich nicht ohne einen Blick auf die Umstände beantworten, in der etwas Kreatives entstehen soll.
Jemand der malen will, hat vielleicht nicht das Geld, sich teure Farbe und große Leinwände zu kaufen. Dann tut es vielleicht auch die günstige Farbe und Karton.
Vielleicht ist das Geld für das teure Kameraequipment zwar da, doch es fehlt die körperliche Kraft, es überall dahin mitzunehmen, wo fotografiert werden soll – dann ist eine kompakte Kamera sicher die bessere Wahl.

Die Maschine muss auf dich warten nicht umgekehrt.

Beim Schreiben ist es nicht anders. Ich kenne Autoren, die schwören auf ihren Mac und dieses eine ganz besondere Schreibprogramm, das ihnen beim Plotten und Schreiben hilft und das Buch dann auch gleich noch als Ebook auswirft. Und dann gibt es diejenigen, die auf Stift und Papier schwören, weil es – angeblich – nicht mehr braucht als das, um ein gutes Buch zu schreiben.

Für mich ist auch hier die Frage wichtig, was für die Autorin funktioniert. Braucht man die Zeit, während die Hand noch den letzten Gedanken zu Papier bringt, um den nächsten Gedanken zu formen? Oder sprudeln die Ideen so schnell aus einem heraus, dass man mit dem Tippen kaum nachkommt? Lässt man sich von Emails und SocialMedia ablenken und bevorzugt deswegen einen analogen Weg? Oder muss man alle halbe Seite etwas im Internet nachschlagen und kommt deswegen um ein digitales und internetfähiges Schreibgerät gar nicht herum?

Ein Programmier-Kollege sagte mir einmal, die Maschine muss auf dich warten, nicht umgekehrt. Ich fahre damit sehr gut. Ich tippe lieber, als dass ich von Hand schreibe. Und ich habe meine Texte lieber in mehreren kleinen Stücken vor mir, in einzelnen Szenen-Dateien, in Kapitel-Ordnern, als alles zusammen in einer langen Textdatei. Ich nutze dafür Scrivener, das nicht ideal ist – es ist mir zu überladen mit Funktionalität, die ich nie brauche – das für mich aber funktioniert.
Das ist – denke ich – die wichtigste Frage, wenn man über Werkzeug und Material im kreativen Prozess nachdenkt: Funktioniert es für mich?