Arbeiten mit den Jahreszeiten

Vor einer Woche überkam mich eine merkwürdige Unruhe. Eine neue Unruhe. Ich saß an meinem Schreibtisch in ein Problem in meinem Code vertieft und die Sonne schien durch das Fenster zu mir herein. Ich hob den Blick vom Bildschirm und ließ ihn hinaus in den Garten wandern. Da durchfuhr mich dieser Gedanke: Ich würde so gerne nach den Jahreszeiten arbeiten. Und dann war der Gedanke auch schon wieder fort. Nach den Jahreszeiten arbeiten, dachte ich. Was für ein Käse. Ich bin doch keine Bäuerin, die bedenken muss, ob es Anfang April Sinn macht Kartoffeln zu stecken.
Ich wandte mich also wieder meiner Arbeit zu. Doch der Gedanke hatte sich in mir festgesetzt und schlug in den nächsten Tagen Wurzeln.

Warum kommt er mir so lächerlich vor, der Wunsch, sich in der Arbeit nach den Jahreszeiten zu richten? Warum gilt mein Alltag eigentlich für alle Tage? Warum habe ich nicht eine Routine für Regen-Tage und eine für Sonnen-Tage? Und wenn wir schon dabei sind, auch noch eine für Tage, an denen es weniger als zehn Stunden hell ist? Und eine für Tage über 35 Grad?


Ich würde viel lieber Ende Herbst und durch den Winter, wenn es draußen dunkel und ungemütlich ist, in der warmen Stube sitzen, mir Geschichten ausdenken und über Programmier-Probleme nachgrübeln. Und im Frühjahr und Anfang des Sommers würde ich in der Erde wühlen und mich um Pflanzen kümmern und Ausflüge mit dem Kind organisieren und unter dem Holunderstrauch Bücher lesen.

Natürlich würde ich auch dann „arbeiten“. Also Geld verdienen. Man muss ja. Aber eben weniger. Oder wann anders. Und an den besonders schönen Tagen vielleicht auch gar nicht. Und dann, im Hochsommer, wenn die Erde Risse bekommt und man es draußen erst am frühen Abend aushalten kann, würde ich mein Büro in einen der kalten Räume des Hauses verlegen und vom späten Vormittag bis weit in den Nachmittag hinein wieder am Rechner sitzen. Denn faul bin ich ja nicht. Ich arbeite gerne. Doch bin ich eben nicht nur berufstätig, sondern auch ein Lebewesen. Und als solches wende ich mich der Sonne zu für Energie und verkrieche mich vor der klirrenden Kälte.

Ich frage mich, was es für mein Wohlbefinden bedeuten würde, mich in meinen Arbeitszeiten weniger nach der Uhr und mehr nach dem Wetter zu richten. Vielleicht doch ein bisschen wie die Bäuerin, die im Frühjahr sät, im Spätsommer erntet und den Winter die Werkzeuge und Klamotten flickt. Vielleicht werde ich es irgendwann versuchen.