Wenn ich bei uns durch das Viertel laufe, dann schaue ich gerne in die Gärten meiner Nachbarn. Da gibt es blühende Oasen, in denen die Insekten brummen, akkurat getrimmte Rasenflächen, am Reißbrett geplante Gemüsegärten und trostlose Steingärten, wobei das Wort Garten in dem Begriff eigentlich nichts zu suchen hat.
Für jeden dieser Gärten kann ich mir lebhaft einen Charakter als Gärtner vorstellen. Das eigene Grundstück ist immer auch ein Zeugnis für den Charakter des Gärtners. Wenn ich also so spazieren gehe, dann stelle ich mir vor, wer wohl in den Häusern wohnt, die zu den Gärten gehören.
Da ist der grummelige Renter mit dem verwitterten Trampolin neben dem Rosenbeet, der nur lächelt, wenn er sich um die Rosen kümmert, die seine verstorbene Frau vor Jahrzehnten gepflanzt hat oder wenn die Enkel wie wild auf dem Trampolin herumfliegen.
Nur ein paar Häuser weiter ist die junge Familie mit dem Gemüsegarten. Das Kind ist allergisch gegen alles mögliche und verträgt an Lebensmitteln nur, was im eigenen Garten angebaut und von den Eltern liebevoll zubereitet wurde. Gegessen wird – solange die Temperaturen es zulassen – auf der überdachten Terrasse, die als zweites Wohnzimmer fungiert und auf denen jeden Tag andere Spielsachen zu entdeckten sind.
Und dann ist da der Dschungel, der das dazugehörige Haus vor neugierigen Blicken schützt. Das hier ansässige Paar, dauerhaft gestresste Städter, erst vor wenigen Jahren zugezogen, kämpfen auf verlorenem Posten gegen Efeu und Brombeeren. Aber das Kind ist glücklich im eigenen Urwald, inklusive Walderdbeeren und Igelfamilie.
Mir diese Gedanken über meine Gärtner-Nachbarn zu machen, ist wie eine Fingerübung für meine Kreativität. Charaktere zu erfinden, aufgrund des Lebens, das sie nach außen zeigen, die Dinge, die ihnen in ihrer direkten Umwelt wichtig sind, macht mir Spaß. Doch auch umgekehrt kann man diese Übung machen: Wie würde der Garten aussehen, den mein Protagonist oder Antagonist anlegen würde?